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Harninkontinenz beim Hund

Die Harninkontinenz (HK) ist eine Störung der Blasenfunktion, die durch einen passiven und unwillkürlichen Harnverlust gekennzeichnet ist. Sie kann die Lebensqualität des betroffenen Tieres erheblich beeinträchtigen und stellt auch für den Halter eine große Herausforderung dar – insbesondere in schweren Fällen, in denen der Hund zusätzlich unter Unruhe und Stress leidet und das Risiko für Infektionen der Harnwege und Haut steigt.

Die Ursachen sind vielfältig und können funktioneller, mechanischer oder neurogener Natur sein. Zudem unterscheidet man zwischen angeborenen Ursachen (bereits bei der Geburt vorhanden) und erworbenen Ursachen (die sich im Laufe des Lebens entwickeln).


Geschlechtsspezifische Unterschiede

Hündinnen sind deutlich häufiger betroffen als Rüden: Zwischen 3 und 20 % aller kastrierten Hündinnen entwickeln eine Form der Harninkontinenz. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass das Risiko mit zunehmendem Alter bei der Kastration sinkt, während ein höheres Körpergewicht zum Zeitpunkt der Operation das Risiko erhöht. Deshalb sollte stets individuell abgewogen werden: die tatsächliche Notwendigkeit einer Kastration, mögliche rassebedingte Veranlagungen (z. B. beim Dobermann oder Pinscher) und der Wunsch, hormonell bedingten Tumoren vorzubeugen. Generell empfiehlt es sich, eine Kastration nicht vor der ersten Läufigkeit vorzunehmen.

Bei Rüden konnte in neueren Studien kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Kastration und dem Auftreten von Inkontinenz festgestellt werden. Nur etwa ein Viertel der inkontinenten Rüden war kastriert. Sicher ist jedoch, dass das Risiko mit zunehmendem Alter steigt.


©: petfamily.it, Pinscher
©: petfamily.it, Pinscher

Diagnostisches Vorgehen

Wie in der Humanmedizin ist auch hier ein stufenweises Vorgehen entscheidend. Noch vor der klinischen Untersuchung sind Angaben zu Rasse, Alter und Geschlecht und Anamneseerhebung ausschlaggebend: Oft wird das Problem vom Besitzer unterschätzt, nicht als Erkrankung wahrgenommen oder gar nicht bemerkt – insbesondere bei Hunden, die überwiegend im Freien leben.


Die klinische Untersuchung umfasst neben einem allgemeinen körperlichen Check auch eine gezielte Untersuchung der äußeren Harnorgane. Mit Blutuntersuchungen und Urinanalysen lassen sich Erkrankungen ausschließen, die zu vermehrtem Trinken und Harnabsatz führen. Eine Urinkultur dient dazu, Infektionen der Harnwege auszuschließen.


Sind diese Befunde unauffällig, liegt der Verdacht bei jungen Hunden mit Inkontinenz zunächst auf anatomischen Fehlbildungen. Hier sind weiterführende Untersuchungen notwendig (Ultraschall, gegebenenfalls CT der Harnwege oder eine Urethrozystoskopie). Handelt es sich um eine operativ korrigierbare Fehlbildung, wird chirurgisch behandelt. Bei kastrierten Hündinnen wird hingegen häufig eine sogenannte Post-Kastrations-Inkontinenz vermutet. In diesen Fällen gilt Phenylpropanolamin als Mittel der ersten Wahl: Die Erfolgsquote liegt im Durchschnitt bei über 75 %. Bei konsequenter Therapie wird in bis zu 97 % der Fälle Kontinenz erreicht. Oft tritt die Besserung schon innerhalb von 72 Stunden ein, bei manchen Hündinnen sogar noch am selben Tag – ein wesentlicher Vorteil für die Therapietreue und die Alltagssituation des Halters.


Ergänzende Maßnahmen

Zur medikamentösen Behandlung sollten immer auch Anpassungen im Alltag erfolgen, etwa regelmäßige Bewegung und Gewichtsreduktion. Nach einer Stabilisierung ist es häufig möglich, die Dosis und Einnahmefrequenz des Medikaments zu reduzieren. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind unerlässlich, um die Wirksamkeit der medizinischen, organisatorischen und gegebenenfalls chirurgischen Maßnahmen zu überprüfen.


Fazit

Harninkontinenz beim Hund ist eine komplexe Erkrankung, die nicht in allen Fällen vollständig heilbar ist – selbst nach exakter Diagnose und gezielter Therapie. Dennoch lässt sich durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Tierarzt und Halter ein individueller Behandlungsplan entwickeln, der die Lebensqualität des Hundes wie auch die seines Menschen spürbar verbessert.

 
 
 

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